Sein künstlerisches Wesen
Géza Anda – Sechzehntel sind auch Musik
Der „musikalische Geist Géza Andas“ ist vergleichbar einer Intelligenztätigkeit, die sich in ständiger Pendelbewegung zwischen den Polen eines kaum erreichbaren Zieles (die vollkommene Meisterschaft als Analogon des vollendeten Kunstwerks) und eines täglichen, trivialen mechanischen Trainings bewegt (die Finger-Kopf-Arbeit). In Bewegung gehalten wird dieses Pendel durch grundsätzliche Tugenden: Hingabe, Beharrlichkeit und erbarmungslose Selbstkritik. In diesem Sinn hat sich Géza Anda immer selbst verantwortlich gefühlt für die Qualität seines künstlerischen Produkts und hat weniger glanzvolle Aufführungen weder dem schlechten Flügel noch einem schlechten Publikum angelastet. Seinen Meisterkursschülern schrieb er keine verbindliche Interpretation vor: er drängte auf richtige Ausführung der geschriebenen Noten und erlaubte ihnen darüber hinaus, so zu spielen, wie sie es sich vorstellen. Mit einer Einschränkung: man musste ihn mit dieser andern Interpretation vollständig überzeugen. Indoktrinationen passten nicht zu seinem „musikalischen Geist“, wohl aber Erwartungen, die sich auf eine Einheit von ideeller Zielvorstellung und individueller Pflichterfüllung richteten. Womit wir wieder beim Kern seiner geistigen Pendelbewegung wären; beim Appell, den das vollkommene Kunstwerk an eine sich zu vervollkommende Persönlichkeit richtet.“ Auszug aus dem Buch „Sechzehntel sind auch Musik“ – Dokumente seines Lebens. Ausgewählt und kommentiert von Hans-Christian Schmidt – Artemis & Winkler, Zürich (1991), Kap. 9, „Géza Anda: Der musikalische Geist“, S. 248f